Wenn Hunde zu Katzen mutieren

Ich muss euch eine schaurige Geschichte erzählen. Wie ihr sicherlich wisst, gibt es ‚Hunde-Menschen‘ und ‚Katzen-Menschen‘. Beides kann man nicht sein, auch wenn man beide Tierarten Zuhause hat, denn Hunde und Katzen stehen für zwei ziemlich verschiedene Charakter. Der Hunde-Mensch liebt Hunde, weil sie einem bedingungslos lieben, immer bei der Familie sind, zu jeder Zeit für Liebkosungen und Streicheleinheiten zu begeistern sind und jedes Mal vor Freude fast kollabieren, wenn man kurz weg war und wieder nach Hause kommt. Der Hund ist loyal, treu und sein Territorium begrenzt sich meistens auf die Wohnung und Garten/Balkon seiner Menschenfamilie.

Die Katze ist anders: Sie ist unabhängig, holt sich oft lediglich Zuhause das Futter ab und geht dann umgehend wieder ihres Einzelgängerweges. Gekuschelt wird grundsätzlich nur, wenn sie es will und wenn die Menschenfamilie von den Ferien nach Hause kommt, würdigt sie diese keines Blickes. Im Gegenteil: Man muss feststellen, dass die Katze während der Abwesenheit der Familie genüsslich aufs Sofa uriniert hat, um ihrer Missbilligung Nachdruck zu verleihen, dass man ihr eine Woche lang nicht die Tür aufgehalten hat – wie sie das sonst immer mit einem ungeduldigen ‚Miau‘ befehlen kann. Katzen sind also unabhängig, opportunistisch, manchmal launisch und ihr Territorium / Bewegungsraum erstreckt sich weit über die Wohnfläche der Famile hinaus.

Soviel zur Allgemeinwissen. Und jetzt stellt euch vor, ich wäre ein Hunde-Mensch, der es geniesst, wenn jemand um ihn herum ist, ihm Aufmerksamkeit und Liebe gibt. Ich mag es auch, für dieses Lebewesen der unangefochtene Held und Anführer zu sein. Stellt euch weiter vor, dass mein Hund ca. 13 oder 14 Jahre alt ist, als ich in ihm plötzlich eine Veränderung spüre. Der Hund verändert sich vor meinen Augen jeden Tag ein bisschen – äusserlich und vom Charakter! Ich bin völlig perplex und weiss nicht, ob ich meinem Hund jetzt zuerst zum Hundepsychologen oder zum plastischen Chirurgen bringen soll, denn seine Veränderung wird immer fremder und unangenehm.

Nach etwa 3 Monaten erkenne ich endlich, was hier passiert: Mein Hund mutiert! Er metamorphosiert zu einer Katze!!! Sein ganzes Wesen ändert sich auch: Er hört nicht mehr auf mich, er kuschelt nicht mehr, er haut ab und zieht nun draussen seine eigenen Runden ohne mich, und er ignoriert mich mehr und mehr. Und er miaut!! Ich verstehe nun nicht mehr, was er will/braucht, denn ‚kätzisch‘ kaum verständlich für den Menschen.

Nach vier Monaten ist die Verwandlung abgeschlossen und ich – der Hunde-Mensch, der es doch braucht, dass er täglich Liebe, Aufmerksamkeit und Dankbarkeit bekommt – sitze alleine im Wohnzimmer und vermisse meinen Hund, während eine Katze ihren Egotrip bei mir in der Wohnung abzieht. Die ganze Verwandlung ging einfach zu schnell und nun scheine zur Rolle eines Dienstangestellten degradiert worden zu sein. Ich nur noch Essenslieferant, Reinigungskraft, Chauffeur (wenn man mal zum Tierarzt muss). Neuerdings macht mein Hund – äh meine Katze – auch in ein richtiges Katzenklo, welches natürlich ich fast täglich saubermachen muss, weil mein Katzenhund mir sonst demonstrativ aufs Sofa pisst…

Ich fühle mich leer, ungeliebt, ausgestossen, zurückgewiesen und allein. Diese Verwandlung hat mich total unvorbereitet getroffen und ich traure der Nähe und Liebe zu meinem Hund nach.

So. Jetzt wisst ihr Schlaumeier natürlich, dass Hunde nicht zu Katzen mutieren. Die Geschichte ist aber soweit wahr, dass ich mit dem unabhängig werden, der Pubertät und vor allem mit der Abnabelung meiner Kinder gegenüber mir als Vater echt zu kämpfen habe. Meine Töchter – für die ich 14 Jahre das Zentrum ihres Lebens war – haben sich innert weniger Monate von Hunde-Kinder zu Katzen-Kinder verwandelt (sinnbildlich natürlich). Seit Dezember kommen meine Kinder kaum noch aus ihren Zimmern. Sie ‚face-timen‘ ständig mir ihren Freunden oder sie interessieren sich nur noch dafür, wann sie so schnell wie möglich wieder aus dem Haus gehen können, um irgendwen zu treffen. Jungs und Freundinnen sind plötzlich wichtiger als der Papa und alles Familiäre wird konsequent runter-priorisiert. So kommt es, dass ich meine Töchter täglich nur noch ca. 15 Minuten sehe beim Nachtessen, und auch dort muss ich froh sein, wenn wir mal über etwas anderes sprechen können, als über „gib mir Geld“ oder „wann müssen wir heute Abend wieder Zuhause sein – und warum?“.

Natürlich lieben mich meine Kinder nach wie vor – so sagen sie zumindest – aber ihre Interessen und Prioritäten haben von ’nach innen‘ total auf ’nach aussen‘ gewandelt. Ihr Bewegungsraum hat sich innert kurzer Zeit bis Zürich, Baden, Winterthur oder Frauenfeld ausgeweitet. Weiter sind sie sehr darauf bedacht, ihren Freundeskreis ja nicht mit dem Familienkreis in Berührung kommen zu lassen und ja, sie holen sich etwas überspitzt gesagt nur noch Futter, Dienstleistungen oder Geld von mir. Ansonsten bin ich nicht mehr so mit von der Partie, wie früher.

Oh wie schön war es, als alles zusammen gemacht haben, als wir zum Beispliel Power-Shopping im Einkaufszentrum gemacht und uns danach mit Süssigkeiten vollgestopft haben! Heute geht ein Shopping-Dialog etwa so:

Katzen-Kind:   „Papi, ich muss dringend neue Kleider haben“
Naiver Vater: „Oh cool – dann gehen wir mal wieder ins Shopping-Center zusammen!“
Katzen-Kind:   „Spinnst du (nahe an der Panik-Attacke)!? Was, wenn uns einer unserer Freunde sieht, wie wir mit unserem Vater shoppen gehen! Das wäre sooo peinlich!“
Naiver Vater: „Seit wann bin ich denn euch peinlch? Ihr habt wohl den coolsten Vater von allen und ich muss doch auch mal ein T-Shirt kaufen.“
Katzen-Kind:   „Aber sicher nicht gleichzeitig mit uns. NIEMAND geht noch mit seinen Eltern einkaufen. Du kannst an einem anderen Tag gehen. Heute fährst du uns aber bitte hin und später (wenn SIE genug haben) kannst du uns wieder abholen. Wir treffen uns dann um die Ecke, wo dich niemand sieht. Ach ja, und kann ich bitte 200 Stutz haben?“
Naiver Vater:  Sprachlos. Die Welt geht unter.

Ja, ich gestehe es ein, dass mich die Auswirkungen der Pubertät und der Abnabelung der Kinder von den Eltern ziemlich unvorbereitet erwischt hat. Ich wusste, dass es kommt, aber ich konnte mir die Konsequenz nicht wirklich vorstellen. Vielleicht fällt es mir auch besonders schwer, weil ich alleinerziehend bin und in den vergangenen Jahren fast nichts anderes gemacht habe, als Kochen, Waschen, Putzen, 100% Arbeiten, Kinder in der Schule und im Berufswahlprozess unterstützen etc. etc.. Vielleicht hoffte ich, dass wir 3 eine Verbindung hätten, der eine Pubertät nichts anhaben könnte.

Mir war die Zusatzbelastung von Job, Kinder und Haushalt nie zu viel, weil ich es für die Kinder tat und sie mir so viel Liebe gegeben haben. Die Kinder waren sich auch immer bewusst, welche Aufgaben ich damals als alleinerziehender Vater mit Vollzeitjob übernommen hatte, Heute jedoch sehen die Kids gar nicht mehr so, wie ich strample, um den Laden am Laufen zu halten. Durch die Distanz erhalte ich auch nicht mehr die gleiche Frequenz und Intensität an Liebes- und Dankbarkeitsbekundungen von meinen Mädchen, weil sie schlicht nicht mehr dabei sind, wenn ich abends nach dem Essen noch die Küche aufräume, das Bad putze oder Rechnungen bezahle, bis die letzte Wäsche im Tumbler ist.

Ich vermisse meine Hunde-Kinder sehr.

Ich habe darum mit meinen Töchtern gesprochen, ihnen erklärt, wie ich mich fühle und ein paar kleine Abmachungen getroffen, die mir helfen sollten, mit der neuen Situation besser umgehen zu können:

  1. Das gemeinsame Nachtessen ist mir heilig ‚heilig‘. Diese 20 Minuten sitzen wir alle zusammen, lassen die Handys weg und rennen auch nicht gleich wieder weg, wenn man als Erster fertig ist mit dem Essen
  2. Mit den grösseren Freiheiten, welche die Kinder einfordern, kommen auch grössere Pflichten. Wer abends lang weggehen will, der kann auch pünktlich sein und muss dafür morgens auch aufstehen können, ohne dass ich 20 Minuten vor Schulbeginn das Bett kippen muss
  3. Wenn ich ab und zu eine meiner Töchter bitte, etwas für mich in den Keller zu bringen oder beim Grossvater zu holen, dann möchte ich nicht jedes Mal erleben, dass ein Schiedsgericht aufgebaut wird, bei dem zuerst mal akribisch alle Zeugenaussagen und Beweismittel gesammelt werden, um festzustellen, welches der beiden Kinder eventuell in den letzten 3 Monaten schon 1x mehr in den Keller gehen musste und dabei eine etwas grössere Traglast bewegen musste, als die andere. Denn: wenn ich mal kurz eine helfende Hand brauche, dann sind so Diskussionen in der Regel nicht sehr förderlich
  4. Ich darf ab und zu (das kommt vielleicht alle zwei Wochen mal vor) meine Kinder zu mir holen, indem ich „Ich fühl mich alleine!“ rufe. Dann kommt mindestens eine Tochter runter und schaut halt dort TikTok-Videos, anstatt im eigenen Zimmer
  5. Die Kinder halten sich möglichst zurück, über das gekochte Menu, die (noch nicht) geleistete Hausarbeit oder eine verspätete Wäsche zu motzen. Ich koche halt keine Chicken McNuggets wie der ‚Schnellimbiss mit dem gelben M‘ und wenn ich mir Mühe gebe, ein Menu auf den Tisch zu bringen, dann kann man sich das „Wäh, hani nöd gern“ auch nur denken.
  6. Wenn jemand mit der Qualität oder Geschwindigkeit meiner Hausarbeit nicht zufrieden ist, dann kann man mit anpacken, statt den Hotelgast rauszuhängen und eine verbale und vernichtende Trip Adviser-Bewertung abzugeben

Es geht einerseits um Wertschätzung und dem Bewusstsein, was der Alte da macht, die etwas geschwunden ist. Andererseits ist es das erste Mal während den 5 Jahren meiner Trennung, dass ich mich ab und zu richtig alleine fühle – auch wenn die Kinder Zuhause sind. Und natürlich ist nicht zuletzt ein bisschen Wehmut und verletzter Papa-Stolz dabei, weil mir bewusstwird, dass sich jetzt das Leben meiner Töchter nicht mehr vollumfänglich und ausschliesslich um das eingeschworene und durch unsere Historie fest verbundene Trio ‚Fay-Mia-Papi‘ dreht.

Wenn man es von der positiven Seite anschaut, dann gilt es zu akzeptieren, dass das Leben weitergeht und ich stolz sein kann, dass meine Kinder so mutig ihre Flügel ausstrecken und selbstbewusst die Welt erkunden. Das zeigt mir, dass ich ihnen doch das eine oder andere auf den Weg mitgegeben habe.

Und was mache ich jetzt gegen die drohende Einsamkeit? Vielleicht schaff ich mir einen Hund an. Oder eine Freundin. Mal schauen.

Privilegiert

Ja, unsere Wochenenden mögen etwas anders aussehen, als die von anderen, aber das ist OK. Ich fühl mich privilegiert, alleinerziehender Bater zu sein und die Aufgabe zu haben, meine Kinder täglich zu begleiten. Es ist keine Option, zu versagen, denn ich bin ja bereits das ‚Ersatz-Sceanario’ und nach mir gibts kein Backup mehr.

Wenn Väter zuerst beweisen müssen, dass sie für ihre Kinder sorgen können

Ich bin einer der wenigen Väter, die das Glück haben, zwar in der elterlichen Beziehung getrennt zu sein, aber trotzdem die Möglichkeit zu haben, ihre Kinder vollwertig erziehen zu dürfen. Wie es dazu kam, dass ich die volle Obhut meiner Kinder inne habe, spielt für diesen Bericht keine Rolle, denn ich möchte heute darüber berichten, wie schwer es (allein-)erziehende Väter haben können, ihre aktive Rolle in der Kindererziehung übernehmen zu dürfen und wie sie oft zuerst beweisen müssen, dass sie gute Erzieher sind, bevor man ihnen dieses Recht eingesteht.

Es ist wohl logisch, dass man einen beruflich engagierten und alleinerziehenden Vater heute noch nicht als ‚Normalfall‘ ansieht – schliesslich sind auch erst 15% der Trennungskinder in der in der Schweiz in der Obhut ihrer Väter. Wenn ich Menschen begegne, die nicht meinem engen Freundeskreis angehören, erlebe ich oft überraschte Reaktionen, die von Anerkennung bis Mitleid reichen. Leider erlebe ich aber auch immer wieder verdeckten oder sogar offenen Sexismus.

Anerkennung ist angebracht, sofern sie den alleinerziehenden und berufstätigen Vätern und Müttern gleichermassen entgegengebracht wird. Nur weil ich ein Mann bin, habe ich nicht mehr Anerkennung verdient – schliesslich machen 135’000 alleinerziehende Mütter in der Schweiz genau das gleiche und sie kämpfen gleichermassen dafür, ihren Kids eine beschützte und liebevolle Kindheit zu geben.

Mitleid verstehe ich dann schon weniger, denn es scheint tatsächlich, dass einige Menschen es als ‚unfairen Schicksalsschlag‘ empfinden, wenn ein Vater die Obhut seiner Kinder ‚übernehmen muss‘. Es scheint ihnen fast noch bemitleidenswerter, als wenn dies einer Mutter passiert (das sei ja die natürliche Verantwortung und Lebensaufgabe einer Mutter..). Ja, es ist für uns Alleinerziehende anstrengend, gleichzeitig eine Karriere zu verfolgen, einen Haushalt zu führen und Kinder zu erziehen, aber es ist keine Strafe, seine Kinder jeden Tag um sich herum zu haben und sie aufwachsen zu sehen. Im Gegenteil.

Leider erlebe ich als alleinerziehender Vater auch immer wieder mal Sexismus, der (sorry, aber ich erlebe es so) häufig von Müttern in meinem Alter oder älteren Menschen ausgeht, die in traditionellen Rollenverständnis steckengeblieben sind, oder die ihre alleinige Kompetenz als Mutter durch Männer wie mich angegriffen sehen. Das geht dann von Aussagen wie „aber ein Kind braucht doch seine Mutter!“ (wann habt ihr so etwas umgekehrt schon mal einer alleinerziehenden Mutter über Väter gesagt..?) bis hin zur Verdächtigung der Pädophilie, als ich mal erzählt hatte, dass sich meine Tochter nachts nach einem bösen Traum zu mir ins Bett gelegt hatte (wo soll denn mein Kind sonst hin?). Niemand würde wohl bei einer Mutter sexuellen Missbrauch in Betracht ziehen, wenn das umgekehrt passiert.

Es gibt übrigens auch in Erziehungsfragen Verschwörungstheoretiker, die denken, es MÜSSE ja etwas faul sein, wenn ein Vater die Obhut für seine Kinder erhält. Ich habe einen Nachbarn (Hoi G.K.! ;-)), der denkt noch nach fast 3 Jahren, ich hätte sämtliche Institutionen (KESB, Jugendzentrum, Gerichte und sogar die Polizei) und natürlich auch die Kinder während den letzten 3 Jahren so manipuliert, dass die Kinder fälschlicherweise in meine Obhut geraten wären. Wenn ich mit meinen Töchtern im Garten spiele und wir unsere Nachbarn grüssen, ruft mir G.K. vor den Kindern heute noch jedes Mal über den Zaun, ich könne die ganze Welt manipulieren – aber IHN nicht…! Für die Kinder ist das belastend, denn es unterstellt ihnen, dass sie die Wahrheit nicht sehen können und dass sie ein ‚falsches‘ Leben führen würden.

Ich denke, es braucht noch eine weitere Generation, bis Eltern als gleichwertig angesehen und ‚alternative‘ Rollenverteilungen nicht mehr als ‚alternativ‘ angesehen werden. Auch auf der institutionellen Seite besteht noch Bedarf – sei dies im Grossen (ich bekam damals genau 1 Tag Vaterschaftsurlaub bei der Geburt meiner Zwillinge) oder im Kleinen (ist es an einigen Schulen wirklich nicht möglich, Elterngesprächstermine ausserhalb der regulären Bürozeiten anzubieten, so dass auch berufstätige Väter teilnehmen können?). Eine befreundete Juristin hat mir zudem erzählt, dass das traditionelle Rollenverständnis sogar noch bis in die Gerichte fest verwurzelt sei, obwohl Gerichte verpflichtet sind, in jedem Fall einzig und allein im Sinne des Kindswohls zu entscheiden. Väter müssten vor Gericht oft zuerst beweisen, dass sie für ihre Kinder sorgen könnten, während dies bei Müttern einfach vorausgesetzt würde.

Heute müssen Väter also leider noch immer einen ‚Extra-Effort‘ leisten, um vollwertige Erziehungs- und Betreuungsaufgaben übernehmen zu können. Fairerweise muss aber auch gesagt werden, dass einigen Vätern diese Hürden vielleicht ziemlich gelegen kommen, um keine aktivere Rolle in der Kindererziehung übernehmen zu müssen und dass sie diese Hürden als Begründung anführen, um ihre Komfortzone nicht verlassen zu müssen. Warum sonst sehe ich auch an ElternABENDEN so wenige Väter? 

Schön ist es, wenn mir meine Töchter erzählen, dass ihre Schulkolleginnen und –kollegen überhaupt kein Problem damit haben, dass sie bei ihrem Vater leben. Einige finden das sogar „ziemlich cool“. Das Selbstverständnis, mit dem die Freunde meiner Kinder mit unserer Familiensituation umgehen, macht mir Mut, dass es in der zukünftigen Generation nur noch um elterliche Erziehung gehen wird, und es dann nicht mehr entscheidend sein wird, ob diese im Alltag vom Vater, der Mutter oder von beiden ausgeübt wird.

Ferienplanung als Alleinerziehender Vater mit beschränktem Budget

In ein paar Tagen beginnen die Sommerferien mit meinen Kindern und ich habe mir lange den Kopf darüber zerbrochen, dass ich den Kindern dieses Jahr keine grosse Ferienreise ans Meer bieten kann, wie ihre Schulkameradinnen es haben. Obwohl die Kinder bei mir leben, erlaubt es der Unterhalt an meine Ex während der Trennung leider nicht, grosse Sprünge zu machen.

Nun habe ich mir überlegt, dass ich den Kindern anbieten werde, unseren  gemeinsamen Ferienplan selber zusammenzustellen. Ich habe Zuhause einen Kalender für die drei Ferienwochen an die Wand geklebt und stelle ihnen 53 Aktivitäten als Optionen für ihre Planung zur Verfügung. Ich habe ihnen dann je einen Zürcher Ferienpass (ZVV) für CHF 25.– gekauft, mit dem sie Vergünstigungen erhalten und im ganzen Raum Zürich gratis Bus, Zug, Schiff und Seilbahnen benützen können. Die meisten der 53 Aktivitäten habe ich so ausgewählt, dass sie unser Budget nicht oder kaum belasten – auch dank den Vergünstigungen des Ferienpasses – und dass die Aktivitäten von der Distanz her erreichbar sind. Um doch einen Akzent / Höhepunkt zu setzen, habe ich zusätzlich einen begleiteten Reitausflug für die Kinder und mich gebucht (ich mag keine Pferde, aber genau mein Mitmachen bedeutet den Kids viel…).

Es es ist ja auch nicht leicht, Teenager-Kinder überhaupt noch für Familienaktivitäten zu begeistern. Die Kids haben ihre eigenen Pläne, verbringen Zeit am Handy oder haben manchmal einfach keine Lust auf den Aktionismus der Eltern. Mit meinem Plan gebe ich den Kindern die Möglichkeit, selber zu bestimmen, wann, was und wieviel sie unternehmen möchten. Wir werden miteinander verhandeln, was man kombinieren kann und was realistisch ist. Weiter werden sich die Kinder untereinander abstimmen müssen über ihre persönlichen Vorlieben und Prioritäten und so hoffe ich, dass wir einen kindergerechten und ausgewogenen Ferienplan ausarbeiten können.

Ich erhoffe mir mit diesem Kalender einerseits, dass meine Kinder ihre Planungsfähigkeiten trainieren, das Verhandeln lernen und sich dann dem gemeinsamen Plan verpflichtet fühlen. Sie lernen andererseits, dass unter den gegebenen Umständen nunmal nicht alles möglich ist. Wenn alles klappt, werden die Bedürfnisse jedes Familienmitglieds gleich berücksichtigt und sie können ihre eigene Aktivitätsdichte und genug „Ich-Zeit“ einplanen.

Manchmal ist ein Zusammenbleiben egoistischer als eine Trennung

Ich habe heute ein interessantes Interview gelesen, in welchem eine heute erwachsene Frau erzählt, sie hätte sich als Kind gewünscht, dass sich ihre Eltern getrennt hätten, anstatt sie als Kind den dauernden Streitigkeiten dieser Eltern auszusetzen. Die Eltern (oder in diesem Fall die Mutter) hätten den Mut nicht gefunden, sich zu trennen.

Diese Aussage mag erstaunen, aber ich bin ganz der Meinung dieser Frau, dass eine Trennung (auch) aus Rücksicht auf die Kinder unter Umständen viel Sinn machen kann.

Wenn eine Partnerschaft zwischen zwei Eltern nicht mehr funktioniert – aus welchen Gründen auch immer – dann fliesst unvermeidlich ein Teil ihrer Energie in diesen Konflikt. Und wenn dieser Konflikt nicht ‚privat‘ – also ohne Einbezug der Kinder – ausgetragen werden kann, dann leiden die Kinder vielleicht auf Dauer mehr, als wenn eine Trennung diesen Konflikt mehr oder weniger löst.

Was die Frau im Interview festhält, ist dass bei einer Trennung den Kindern wenigstens eine Perspektive aufgezeigt wird, während sie im Falle eines Zusammenbleibens täglich der aussichtslosen Situation des Konflikts ausgesetzt sind, die keinen Anfang und kein Ende erkennen lässt.

Ich kann diese These voll und ganz unterstützen. In meiner Situation kann ich mich heute mit all meiner Energie den Kindern widmen. Ich kann ihnen ein stabiles, liebevolles und ruhiges Zuhause bieten, in welchem sich meine Kids sicher und wohl fühlen. Dass ich voll berufstätig bin, spielt hier nur eine untergeordnete Rolle, denn meine Arbeit – auch wenn ich sie zu Hause mache – steht nicht im Konflikt mit diesem ’sicheren Hafen‘.

Selbstverständlich fühle ich mich manchmal schlecht oder als Versager, weil ich es nicht geschafft habe, meinen Kindern (und mir) eine dauerhaft ’normale‘ Familienstruktur mit zwei sich liebenden Eltern zu bieten, aber wenn ich an die Zeit vor der Trennung zurück denke, dann weiss ich, dass ich unter den gegebenen Umständen die richtige Entscheidung getroffen habe. Ich kann jetzt im Alltag als alleinerziehender Vater ein besserer Vater sein und zudem haben die Kinder auch heute immer noch Vater UND Mutter, die sie lieben.

Wie ich weiss, dass es den Kindern jetzt besser geht? Sie sind viel selbstsicherer und sorgenfreier im Alltag (natürlich auch an jenen Tagen, an denen sie bei ihrer Mutter sind). Die Kinder bringen heute auch gerne ihre Freundinnen nach Hause, ohne Angst haben zu müssen, in einen Konflikt oder in eine peinliche Situation ‚reinzulaufen‘. Und nicht zuletzt haben sich beide in schon fast wundersamer Weise in der Schule verbessert. All dies überzeugt mich, dass eine Trennung viel weniger egoistisch sein kann, als sie auf den ersten Blick erscheinen mag.

Hier ist noch der Artikel, den ich erwähnt habe: https://www.watson.ch/!285401218

Alleinerziehender Vater – Spiessrutenlauf zwischen Bewunderung und Sexismus

Ich denke, dass jede Trennung einer Beziehung bis zu einem gewissen Punkt auch eine Trennung des sozialen Umfelds mit sich bringt. Das war (oder ist) bei mir nicht anders. Der Fakt, dass ich als berufstätiger Vater nun alleinerziehend für die Kinder verantwortlich bin, lässt einen gewissen Kreis meines sozialen Umfelds jedoch scheinbar in totale Verwirrung verfallen. Ich sehe die Reaktionen meines Umfelds heute in drei Kreise eingeteilt. Mein nahes Umfeld (innerer Kreis) hat ja die ganze Trennungs(vor-)geschichte mehr oder weniger hautnah miterlebt und meine Freunde und Freundinnen unterstützen mich mit Rat und Tat. Dieser innere Kreis von Familie und Freunden zeigt Respekt dafür, dass ich diese Aufgabe und Verantwortung übernommen habe, meine Kinder allein zu erziehen. Ich denke, da unterscheidet sich die Unterstützung auch kaum, ob ich jetzt eine alleinerziehende Mutter oder Vater bin. Freunde und Familie halten zueinander.

Zum äusseren Kreis zähle ich Menschen, die weder mich noch meine Expartnerin privat kennen. Hier erhalte ich Bewunderung und manchmal etwas Mitleid für den Fakt, dass ich vollberuflicher und alleinerziehender Vater bin. Diese Reaktion kann ich eigentlich nicht nachvollziehen und sie gebührt mir nicht. Warum soll ich als Mann für etwas besonders bewundert werden, was Tausende von Frauen jeden Tag auch tun? Ich denke, dass da alleinerziehende Väter eben mit einem Anteil von nur gerade 10% immer noch als Paradiesvögel gelten und dass viele Leute heute noch dem Klischee verfallen, dass es Vätern schwerer fallen muss, zu putzen, zu kochen und Kinder zu erziehen.

Als den interessantesten Kreis erlebe ich aber den mittleren Kreis meines Umfelds. Dazu zähle ich Menschen aus dem Ort, Nachbarn oder zum einzelne Eltern anderer Schulkinder, die mich und meine Ex ein bisschen oder auch etwas besser kennen, die aber nicht zu meinen Freunden zählen und die kein vollständiges Bild unseres früheren Familienlebens haben. Was ich dort erlebt habe und heute noch erlebe, sind teilweise sexistisch begründete (Vor-)Verurteilungen, die ich mir nie hätte erträumen lassen. Natürlich spielt mit, dass diese Leute glauben, unsere Familienverhältnisse zu kennen, obwohl sie dies nur aus relativer Ferne wirklich tun. Und in einem solchen mittleren Kreis scheinen sich viele Menschen mit der vermeintlich schwächeren Partei einer Trennung zu solidarisieren – und das ist scheinbar per Definition die Mutter/Frau. Diese Solidarisierung zeigt sich (zumindest in meiner persönlichen Erfahrung) wiederum fast ausschliesslich als Frau-Frau-Solidarisierung, welche zu emotionalem Verhalten und Reaktionen führen kann, die jeglichem Realitätssinn entbehrt. Einige Frauen in diesem mittleren Kreis scheinen (aus welcher Erfahrung auch immer) zu denken, dass das nie und nimmer mit rechten Dingen zugegangen sein kann, dass ein Vater die Obhut von Kindern erhält. Objektive Gründe und rationale Überlegungen werden teilweise rigoros über Bord geworfen. Öffentliche Institutionen wie das Jugendamt (KESB) oder Gerichte werden in Frage gestellt und vorschnelle Gründe werden für das Geschehene gesucht: „Das macht er doch nur, weil er dann weniger Unterhalt bezahlen muss…“. „Er hat die Kinder, das Gericht und alle anderen öffentlichen Stellen manipuliert“. „Er hat die Obhut sicher nur beantragt, um die Mutter zu erniedrigen oder damit er im Haus bleiben kann“. Nachbarn scheinen plötzlich durch Hauswände sehen zu können und jeder glaubt, noch ein Indiz für eine fiese Verschwörung gefunden zu haben. Man schreckte nicht einmal davor zurück, meine Kinder für ihre Wahl zu verurteilen, bei wem sie zukünftig leben wollten. Meine Kinder wollten Monate lang nicht mehr in den Garten, weil sie sich ständig beobachtet fühlten und weil sie die Feindseligkeit der weiblichen Nachbarn gegenüber mir als Vater und ihnen als Kinder so deutlich gespürt haben. Den Kindern selber wurde sogar ihr eigenes Urteilsvermögen abgesprochen und sie wurden entweder als manipulierte Marionetten oder aber als Verräter ihrer eigenen Mutter angesehen. Nachbarskinder durften plötzlich nicht mehr mit ihnen spielen und sie wurden auf der Strasse und im Garten nicht mehr gegrüsst. Die Kinder – die schwächsten in jeder Trennungsgeschichte – mussten tagtäglich einen Spiessrutenlauf durch das Quartier absolvieren und sie wurden konsequent aus der Quartier-Community ausgeschlossen. Stellvertretend für mich wurden sie so für die Trennung und die Wahl der Obhut verurteilt – wahrscheinlich, weil sie wohl einfacher angreifbar waren, als ich.

Nun ist ja meine Trennung schon eine Weile her und seit einem Jahr tue ich mein Möglichstes, um meine Kinder zu umsorgen und ihnen eine tägliche Stütze zu sein. Viele Wogen der Trennung haben sich in der Zwischenzeit geglättet und sogar mit meiner Expartnerin kann ich an guten Tagen konstruktiv und normal kommunizieren. Die einzigen Personen, die sich heute noch hartnäckig in ihrem Feindbild/Urteil verbeissen, sind interessanterweise die Frauen des mittleren sozialen Kreises, obwohl sie tagtäglich sehen, dass es den Kindern gut geht und dass der Alltag rund läuft. Vielleicht ist es gerade der Fakt, dass diese Leute jeden Tag sehen, wie wir spielen, lachen, streiten und uns lieb haben, der es ihnen verunmöglicht, die Trennungsgeschichte hinter sich zu lassen und die Situation zu akzeptieren. In ihren Augen dürften wir wohl nicht lustig sein und schöne Tage erleben, nachdem sich diese Familientrennung nicht so abgespielt hat, wie es ihrem Klischee der Rollenverteilung entspricht. Warum sich die Männer dieses Kreises eher damit abgefunden haben, aber die Frauen nicht, kann ich mir bis heute nicht zu 100% erklären. Vielleicht fühlen sich diese Frauen stellvertretend in ihrer ‚privilegierten Position‘ bedroht, dass Mütter grundsätzlich die erste Bezugsperson ihrer Kinder sein müssen. Verschiedentlich habe ich den Kommentar gehört: „Aber sie brauchen doch eine Mutter!“ Ja natürlich – aber primar brauchen sie elterliche Sorge – egal ob diese von einer Frau oder von einem Mann kommt.

Für gewissen Menschen – übrigens aus verschiedenen Generationen – scheint es einfach nicht richtig zu sein, dass die Kindsobhut heutzutage nach objektiven Gesichtspunkten zugewiesen wird und dass sich dadurch trotzdem ein gutes Verhältnis zum anderen Elternteil entwickeln kann. Es passt wohl nicht in Jedermann’s Weltbild, dass Kindererziehung keine Geschlechterfrage ist, und so erlebe ich als alleinerziehender Vater heute noch den Sexismus dieser Frauen hautnah. Für mich ist es eine neue Erfahrung und mein positives Fazit ist, dass ich heute noch mehr auf Sexismus in der umgekehrten Richtung sensibilisiert bin, weil ich ‚privilegiert‘ bin, mal Sexismus am eigenen Leib erfahren zu haben. Ich denke, dass das nur wenige Männer von sich behaupten können.

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Wenn der Papa ‚das Erdmännchen‘ macht

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Fakt ist: Eltern sind in den Augen ihrer Kinder grundsätzlich asexuell, zumindest solange die Kinder selber noch nicht in der Pubertät sind. Das ist auch in Ordnung, denn als Eltern kann man sich so organisieren, dass man die Kinder nicht allzusehr damit konfrontiert, dass sich liebende Eltern eben nicht nur ab und zu ein Küsschen geben.

Ihr seht schon, wo das hinführt? Genau. Was, wenn man alleinerziehender Vater oder Mutter ist und trotz (oder gerade wegen) der uneingeschränkten Aufopferung für die Kinder feststellen muss, dass man – entgegen den Erwartungen der Kinder und vielleicht auch entgegen den eigenen Erwartungen – eben doch auch nur ein Mensch mit normalen Bedürfnissen ist?

Ich spreche Themen gegenüber meinen Kindern eigentlich immer ziemlich direkt an und stosse bei meinen Töchtern immer auf Verständnis, wenn ich meine Themen transparent auf den Tisch lege. Da sollte es doch möglich sein, auch mal über das Thema ‚Papa ist auch ein Mann‘ reden zu können…

Eines Tages sprachen wir über eine Person aus unserem Umfeld, die einen neuen Freund kennengelernt hatte. Ich dachte also, ich mache es so, wie immer und spreche das Thema der menschlichen (männlichen?) Bedürfnisse mal ganz locker an. Ich sagte: „Hey, ihr wisst schon, dass auch ich vielleicht mal wieder eine Freundin haben könnte.“ Da sah ich, wie sich  zwei Augenpaare geschockt auf mich richteten. Relativierend fügte ich sofort hinzu: „Na, nicht jetzt, aber eines Tages…“ Das war zuviel für meine Töchter – ein kollektives „Niemals!!!“ kam mir entgegen. Ich versuchte zu argumentieren, dass dieses Bedürfnis ganz natürlich sei und dass diese Person ja dann nicht ihre neue Mutter sein werde. Aber die Kinder meinten kategorisch, ich hätte ja sie und das müsse genügen. Nicht ohne auch noch ein angeekeltes „Wähhh!!!“ anzuhängen, als sie merkten, welche ‚Bedürfnisse‘ ich vielleicht gemeint haben könnte.

Im ersten Moment war ich echt beleidigt und enttäuscht. Wie konnten mir meine Kinder langfristig das Recht absprechen, eine neue Partnerin zu finden – oder auch nur zu flirten!? Das Thema war dann erst mal vom Tisch, aber auch ein, zwei spätere Versuche, es anzusprechen, scheiterten kläglich. Meine Kinder weigerten sich kategorisch, mich als einen Mann zu sehen, der auch andere zwischenmenschliche Bedürfnisse haben könnte, als Vater zu sein. Ich erkannte aber, dass es dabei nicht um mich als Person ging, sondern dass sich meine Kinder grundsätzlich nicht mit dem Thema Sexualität oder der Anziehung verschiedener Geschlechter auseinander setzen möchten. Das hat ja auch sein Gutes (ich werde sowieso genug Probleme haben, wenn meine beiden äusserst hübschen Töchter mal 16 oder 18 sind…)!

Nun half mir aber diese Erkenntnis auch nicht weiter. Ich war in einem Dilemma. Ich bin praktisch meine ganze Freizeit mit den Kids zusammen und sehe mich gezwungen, jegliches Interesse an Frauen in meinem sozialen Umfeld zu leugnen, zu verstecken oder effektiv zu unterdrücken (was nicht funktioniert).

Letzten Sommer kamen mir dann die Kinder zu Hilfe. Wir sassen zu dritt im Tessin draussen in einem Café, als eine attraktive Frau an unserem Tisch vorbei ging. Ich muss einen verstohlenen Blick riskiert haben, als ich plötzlich das laute Gelächter meiner Kinder hörte. Sie riefen: „Du siehst aus, wie ein Erdmännchen, das Ausschau hält!“ Natürlich wussten sie, wie mein Blick zu der Dame zu deuten gewesen war, aber wir mussten alle lachen.

In dem Moment hatte ich zwei Dinge begriffen: 1. Mein Blick im Café war wohl doch nicht so verstohlen, wie ich es gerne gedacht hatte… und 2. Manchmal helfen Code-Wörter, um mit meinen Kids über Themen zu sprechen, die ihnen aufgrund ihres Alters noch peinlich sind.

Ab dem Moment haben wir also eine Formulierung gefunden, mit der wir mit dem Thema umgehen können, ohne dass sich die Kinder bedrängt fühlen. Papi macht halt jetzt ab und zu ‚das Erdmännchen‘, wenn er jemand attraktives sieht und ich muss nicht mehr gleich denken, dass ich ein Verbrechen begehe, wenn ich jemand anziehend finde. 🙂

Der goldene Slime muss sein – in der Familie und im Business

slime

Als alleinerziehendes Elternteil ist man wohl meistens dazu gezwungen, in der Familie Prioritäten zu setzen. Bei mir ist das nicht anders. Meine Familienzeit ist durch die Arbeit begrenzt und durch die Trennung finanziere ich jetzt zwei Haushalte, was zwangsweise drastische Einschnitte beim Lebensstandard nach sich zieht. Als rationaler Mensch habe ich dann begonnen, Prioritäten zu setzen, wofür ich meine Zeit und das Budget der Familie einsetze. Ich habe zum Beispiel meinen Sportwagen gegen ein Hybrid-Auto eingetauscht, um Kosten zu sparen. Wir haben für dieses Jahr keine Ferien geplant und wir gehen auch nicht aus essen. Auch bei anderen kleinen Annehmlichkeiten ist es relativ einfach, die eigenen Wünsche zurück zu stellen, weil ich das grosse Ganze im Auge habe. Ich rechne meinen beiden Kindern hoch an, dass sie immer Verständnis haben, wenn ich ihnen einen Wunsch ausschlage, mit der Begründung, dass jetzt einfach nicht mehr alles möglich ist.

Gestern wurde mir aber klar, dass ich dabei die verschiedenen Perspektiven auf diese Prioritäten nicht genug beachtet habe, und dass ich eine bessere Balance zwischen rationalen und subjektiven Prioritäten finden muss. Meine Kinder wünschen sich zum Beispiel seit gut einem Monat einen goldenen ‚Slime‘, den man für wenig Geld im Internet bestellen kann. Ich muss vorausschicken, dass ich diese Slimes wirklich nicht mag. Sie riechen, kleben und das ganze Haus ist nach dem Spielen voller Glitzer… Rational gesehen, sind diese Slimes also keine Priorität und machen sie mir das Leben auch nicht leichter. Dem entsprechend habe ich mich über Wochen dagegen gewehrt, Geld für diese ’sinnlosen‘ Slimes auszugeben. Mir war nur schon meine Zeit zu kostbar, mich mit einem Online-Shop herumzuquälen, um sie zu bestellen. Ich habe den Kindern also immer wieder erklärt, dass ich wirklich keine Zeit hätte, diese Slimes zu bestellen, weil ich doch soviel anderes zu tun habe und ich zur Zeit Prioriäten setzen müsse. Die Kinder konnten/wollten natürlich gegen dieses Argument nicht ankämpfen, aber über die Wochen habe ich gemerkt, dass ihnen dieser goldene, glitzernde Slime wirklich viel bedeutet. Trotzdem blieb ich standhaft.

Bis jetzt. Gestern habe ich begriffen, dass meine Kinder durchaus in der Lage sind, meine Prioritäten nachzuvollziehen, aber das macht den Slime für sie irgendwie nicht weniger wichtig. Lustigerweise wurde mir das nicht Zuhause klar, sondern im Geschäft, als ich dort eine Projektpriorisierung vornahm. Ich musste eine Auswahl von Projekten treffen, damit ich die finanziellen und zeitlichen Ressourcen meiner Abteilung nicht überlaste. Und bei dieser Priorisierung habe ich einen Mix von Projekten gewählt: Solche, welche vom Management gefordert werden und solche, bei denen meine Mitarbeiter die Initianten sind. Grosse Brocken, die mit viel Fleiss und ohne ‚Excitement‘ erledigt werden müssen, aber auch kleine, coole Projekte, bei denen man seine Leidenschaft ausleben kann. Obwohl diese kleinen Projekte vielleicht nicht ganz so viel Nutzen bringen, fördern sie die Motivation der Mitarbeiter, um sich auch an die grossen, mühsamen Brocken zu machen.

Im Geschäft ist mir dieses Prinzip absolut klar – ich hatte nur vergessen, es auch Zuhause anzuwenden. Aber jetzt weiss ich: Meine Kinder brauchen diesen goldenen, glitzernden Slime wirklich! Er ist eine Priorität und nötig, damit sie die Motivation behalten, all die anderen Einschränkungen mit mir weiter zu tragen. Ich habe gestern abend also zwei goldene Slimes für meine Kinder bestellt und werde mir merken, dass es verschiedene Perspektiven auf Prioritäten gibt und dass ich deren Balance nicht ausser acht lassen darf. Diese kleinen Dinge sind oft Gold wert.

Trennung & Kindsobhut: Wie sag ich’s meinem Arbeitgeber?

Das Scheitern einer Ehe ist nicht leicht, einzugestehen. Weder sich selber gegenüber, noch den Menschen gegenüber, mit denen man viel Zeit verbringt. Am Arbeitsplatz ist das nicht anders, als privat, denn oft sind Vorgesetzte, Kollegen und Mitarbeiter mit dem Zivilstand und der Kindersituation vertraut. So stellt sich die Frage, ob, wie und wann man sein Arbeitsumfeld über Veränderungen im privaten Bereich informieren soll/darf.

Für mich stellte sich diese Frage im Laufe des letzten Jahres, nachdem ich den Beschluss gefasst hatte, die Trennung einzuleiten und die Obhut der Kinder zu beantragen. Die private Situation war für mich persönlich natürlich belastend, aber ich ging davon aus, dass am Arbeitsplatz niemand bemerkt hatte, in welcher Situation ich mich Zuhause befand – nicht zuletzt, weil ich dort nicht über meine Eheprobleme gesprochen hatte. Ich vertrat die Meinung, dass mich meine Mitarbeiter und Vorgesetzten ja eigentlich nie anders gekannt hatten, als mit privaten Eheproblemen, weil sich diese bei mir schon über viele Jahre hingezogen. Und jetzt, wo sich ein Ende der belastenden Ehesituation abzeichnete, wollte ich nicht, dass man plötzlich meine Leistungsfähigkeit in Frage stellte. Ich hatte in den letzten Jahren – trotz Problemen – ja eine gute Leistung erbracht und war sogar befördert worden!

Während die Jahre vor der Trennung sicher die schwierigsten waren, war die Phase zwischen Einleitung der Trennung und dem Entscheid über die Obhut der Kinder sicher diejenige, in der ich selber am meisten verunsichert war. Und diese Verunsicherung wollte ich nicht weiter nach aussen tragen, als meinem engsten Familien- und Freundeskreis.

Ich wollte den Zeitpunkt sorgfältig wählen, wann ich mein Arbeitsumfeld informierte. Mir war es wichtig, dass dieser Zeitpunkt dann war, wenn sich der Weg in die zukünftige Lebenssituation mit den Kindern klar abzeichnet. Als die räumliche Trennung von meiner Frau dann kam und die Kinder bei mir wohnten, musste ich dann aber meine Präsenzzeiten am Arbeitsplatz etwas anpassen. Ich konnte nicht mehr so früh im Büro sein, weil ich Zuhause sein musste, bis die Kinder morgens aus dem Haus waren. Ich musste auch einen 1-Mann-Kinderbetreuungsplan ausarbeiten, der vorsah, dass ich etwas häufiger von Zuhause aus arbeiten würde – zum Beispiel mittwochs, wenn die Kinder nachmittags schulfrei haben.

Meine grösste Sorge war, dass meine private Situation die Wahrnehmung meiner Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz beeinflussen würde. Das schlimmste, was ich mir in Bezug auf meinen Vorgesetzten und meine Mitarbeiter vorstellen konnte, war, dass sie ihre Erwartungen mir gegenüber aus Rücksicht auf meine private Situation zurücknehmen würden und sich so – ohne mein Zutun – die Wahrnehmung meiner Leistung verändern würde. Versteht mich bitte nicht falsch – ich stelle das Wohl meiner Kinder und meine diesbezügliche Verantwortung jederzeit über meine persönlichen Karriereziele, aber ich bin fest davon überzeugt, dass beides möglich ist: Ein guter Vater sein und eine Karriere verfolgen. Nicht zuletzt habe ich auch eine Verantwortung gegenüber meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich auf einen starken und Chef verlassen.

Ich beschloss dann, meinen direkten Vorgesetzten sowie meine direkten Untergebenen zu informieren zum Zeitpunkt, an dem ich effektiv alleinerziehend war und die Kinderbetreuung alleine bewerkstelligte. Die Trennung an und für sich und vor allem der Grund für die Trennung waren dann auch viel weniger Thema, als die organisatorischen Details (einen halben Tag mehr Home Office als vorher).

Meinem Vorgesetzten gegenüber bestand ich darauf, zuerst sein Versprechen zu erhalten, dass er den Druck auf mich nicht verringern würde, bevor ich ihm von der Trennung und der Kindsobhut erzählte. Ich sagte ihm dann:

„Wenn du zufrieden warst mit meiner Leistung der letzten Jahre, dann kann ich dir versichern, dass sich diese Leistung in der kommenden Zeit eher erhöhen wird, denn ab jetzt stellen sich mir nur noch organisationelle Herausforderungen und keine emotionale Belastungen mehr. Denn die schwierigste Zeit liegt hinter mir. „

Ich wollte um jeden Preis verhindern, dass mir Mitleid entgegen gebracht wurde und dass dann meine private Situation in jedem beruflichen Meeting Thema sein würde. Nun, im nachhinein verlangte ich da wohl etwas zu viel von meinem Chef und meinen engsten Arbeitskolleginnen und -kollegen. Wenn ich heute reflektiere, kann ich nachvollziehen, dass seine erste natürliche Reaktion nichts anderes als Mitleid sein konnte. Wenn man unvorbereitet mit einem tragischen Schicksal eines Mitarbeitenden konfrontiert wird – vor allem wenn auch noch Kinder involviert sind – dann muss man als Mitarbeiter halt auch dem Chef und den MitarbeiterInnen die Gelegenheit geben, diese Geschichte zu verdauen.

Damals aber ärgerte ich mich aber im ersten Moment, dass mein Chef mir sagte, wie leid es ihm tun würde. Er war im ersten Moment sichtlich geschockt und in den folgenden paar Meetings fragte er jeweils, wie es mir Zuhause ginge. Ich sah aber auch, dass er rasch wieder Vertrauen fasste, als er merkte, dass meine Leistungsfähigkeit und mein Optimismus nicht unter der neuen familiären Situation litten. Ich bin meinem Chef deshalb noch heute dankbar, wie er menschlich reagierte und gleichzeitig meinen Wunsch respektierte, dass meine persönliche Lebenssituation keinen Einfluss auf meine Zusammenarbeit mit ihm haben soll.

Gegenüber dem Rest der Firma und dem restlichen Team sprach ich erst offen über meine private Situation, als ich 6 Monate als alleinerziehender Vater mit Kids und Karriere erfolgreich hinter mich gebracht hatte. Das half mir, Sicherheit auszustrahlen und dem Team zu zeigen, dass die Welt nicht untergegangen und die Situation auch nicht mehr neu ist. Ich denke, es war auch für das Team einfacher, eine gegebene und seit längerem bestehende Situation zu verdauen, als eine ‚Developing Story‘ mit unsicherem Ausgang verfolgen zu müssen.