Alleinerziehender Vater – Spiessrutenlauf zwischen Bewunderung und Sexismus

Ich denke, dass jede Trennung einer Beziehung bis zu einem gewissen Punkt auch eine Trennung des sozialen Umfelds mit sich bringt. Das war (oder ist) bei mir nicht anders. Der Fakt, dass ich als berufstätiger Vater nun alleinerziehend für die Kinder verantwortlich bin, lässt einen gewissen Kreis meines sozialen Umfelds jedoch scheinbar in totale Verwirrung verfallen. Ich sehe die Reaktionen meines Umfelds heute in drei Kreise eingeteilt. Mein nahes Umfeld (innerer Kreis) hat ja die ganze Trennungs(vor-)geschichte mehr oder weniger hautnah miterlebt und meine Freunde und Freundinnen unterstützen mich mit Rat und Tat. Dieser innere Kreis von Familie und Freunden zeigt Respekt dafür, dass ich diese Aufgabe und Verantwortung übernommen habe, meine Kinder allein zu erziehen. Ich denke, da unterscheidet sich die Unterstützung auch kaum, ob ich jetzt eine alleinerziehende Mutter oder Vater bin. Freunde und Familie halten zueinander.

Zum äusseren Kreis zähle ich Menschen, die weder mich noch meine Expartnerin privat kennen. Hier erhalte ich Bewunderung und manchmal etwas Mitleid für den Fakt, dass ich vollberuflicher und alleinerziehender Vater bin. Diese Reaktion kann ich eigentlich nicht nachvollziehen und sie gebührt mir nicht. Warum soll ich als Mann für etwas besonders bewundert werden, was Tausende von Frauen jeden Tag auch tun? Ich denke, dass da alleinerziehende Väter eben mit einem Anteil von nur gerade 10% immer noch als Paradiesvögel gelten und dass viele Leute heute noch dem Klischee verfallen, dass es Vätern schwerer fallen muss, zu putzen, zu kochen und Kinder zu erziehen.

Als den interessantesten Kreis erlebe ich aber den mittleren Kreis meines Umfelds. Dazu zähle ich Menschen aus dem Ort, Nachbarn oder zum einzelne Eltern anderer Schulkinder, die mich und meine Ex ein bisschen oder auch etwas besser kennen, die aber nicht zu meinen Freunden zählen und die kein vollständiges Bild unseres früheren Familienlebens haben. Was ich dort erlebt habe und heute noch erlebe, sind teilweise sexistisch begründete (Vor-)Verurteilungen, die ich mir nie hätte erträumen lassen. Natürlich spielt mit, dass diese Leute glauben, unsere Familienverhältnisse zu kennen, obwohl sie dies nur aus relativer Ferne wirklich tun. Und in einem solchen mittleren Kreis scheinen sich viele Menschen mit der vermeintlich schwächeren Partei einer Trennung zu solidarisieren – und das ist scheinbar per Definition die Mutter/Frau. Diese Solidarisierung zeigt sich (zumindest in meiner persönlichen Erfahrung) wiederum fast ausschliesslich als Frau-Frau-Solidarisierung, welche zu emotionalem Verhalten und Reaktionen führen kann, die jeglichem Realitätssinn entbehrt. Einige Frauen in diesem mittleren Kreis scheinen (aus welcher Erfahrung auch immer) zu denken, dass das nie und nimmer mit rechten Dingen zugegangen sein kann, dass ein Vater die Obhut von Kindern erhält. Objektive Gründe und rationale Überlegungen werden teilweise rigoros über Bord geworfen. Öffentliche Institutionen wie das Jugendamt (KESB) oder Gerichte werden in Frage gestellt und vorschnelle Gründe werden für das Geschehene gesucht: „Das macht er doch nur, weil er dann weniger Unterhalt bezahlen muss…“. „Er hat die Kinder, das Gericht und alle anderen öffentlichen Stellen manipuliert“. „Er hat die Obhut sicher nur beantragt, um die Mutter zu erniedrigen oder damit er im Haus bleiben kann“. Nachbarn scheinen plötzlich durch Hauswände sehen zu können und jeder glaubt, noch ein Indiz für eine fiese Verschwörung gefunden zu haben. Man schreckte nicht einmal davor zurück, meine Kinder für ihre Wahl zu verurteilen, bei wem sie zukünftig leben wollten. Meine Kinder wollten Monate lang nicht mehr in den Garten, weil sie sich ständig beobachtet fühlten und weil sie die Feindseligkeit der weiblichen Nachbarn gegenüber mir als Vater und ihnen als Kinder so deutlich gespürt haben. Den Kindern selber wurde sogar ihr eigenes Urteilsvermögen abgesprochen und sie wurden entweder als manipulierte Marionetten oder aber als Verräter ihrer eigenen Mutter angesehen. Nachbarskinder durften plötzlich nicht mehr mit ihnen spielen und sie wurden auf der Strasse und im Garten nicht mehr gegrüsst. Die Kinder – die schwächsten in jeder Trennungsgeschichte – mussten tagtäglich einen Spiessrutenlauf durch das Quartier absolvieren und sie wurden konsequent aus der Quartier-Community ausgeschlossen. Stellvertretend für mich wurden sie so für die Trennung und die Wahl der Obhut verurteilt – wahrscheinlich, weil sie wohl einfacher angreifbar waren, als ich.

Nun ist ja meine Trennung schon eine Weile her und seit einem Jahr tue ich mein Möglichstes, um meine Kinder zu umsorgen und ihnen eine tägliche Stütze zu sein. Viele Wogen der Trennung haben sich in der Zwischenzeit geglättet und sogar mit meiner Expartnerin kann ich an guten Tagen konstruktiv und normal kommunizieren. Die einzigen Personen, die sich heute noch hartnäckig in ihrem Feindbild/Urteil verbeissen, sind interessanterweise die Frauen des mittleren sozialen Kreises, obwohl sie tagtäglich sehen, dass es den Kindern gut geht und dass der Alltag rund läuft. Vielleicht ist es gerade der Fakt, dass diese Leute jeden Tag sehen, wie wir spielen, lachen, streiten und uns lieb haben, der es ihnen verunmöglicht, die Trennungsgeschichte hinter sich zu lassen und die Situation zu akzeptieren. In ihren Augen dürften wir wohl nicht lustig sein und schöne Tage erleben, nachdem sich diese Familientrennung nicht so abgespielt hat, wie es ihrem Klischee der Rollenverteilung entspricht. Warum sich die Männer dieses Kreises eher damit abgefunden haben, aber die Frauen nicht, kann ich mir bis heute nicht zu 100% erklären. Vielleicht fühlen sich diese Frauen stellvertretend in ihrer ‚privilegierten Position‘ bedroht, dass Mütter grundsätzlich die erste Bezugsperson ihrer Kinder sein müssen. Verschiedentlich habe ich den Kommentar gehört: „Aber sie brauchen doch eine Mutter!“ Ja natürlich – aber primar brauchen sie elterliche Sorge – egal ob diese von einer Frau oder von einem Mann kommt.

Für gewissen Menschen – übrigens aus verschiedenen Generationen – scheint es einfach nicht richtig zu sein, dass die Kindsobhut heutzutage nach objektiven Gesichtspunkten zugewiesen wird und dass sich dadurch trotzdem ein gutes Verhältnis zum anderen Elternteil entwickeln kann. Es passt wohl nicht in Jedermann’s Weltbild, dass Kindererziehung keine Geschlechterfrage ist, und so erlebe ich als alleinerziehender Vater heute noch den Sexismus dieser Frauen hautnah. Für mich ist es eine neue Erfahrung und mein positives Fazit ist, dass ich heute noch mehr auf Sexismus in der umgekehrten Richtung sensibilisiert bin, weil ich ‚privilegiert‘ bin, mal Sexismus am eigenen Leib erfahren zu haben. Ich denke, dass das nur wenige Männer von sich behaupten können.

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